Indien – Zwischen Tradition und Moderne
- Juni 13, 2019
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Jedes Jahr bereisen 16-mal mehr Menschen Mallorca, als die Insel Einwohner hat. Ganz anders Indien: Hier kommt ein einziger ausländischer Tourist auf rund 450 Inder. Das Verhältnis wirkt schier absurd, denkt man an die 5.000-jährige Kulturgeschichte und den unerschöpflichen Reichtum an Schönheit, mit denen der Subkontinent aufwartet.
Delhi ist der passende Auftakt für ein Land voller Widersprüche. Immerhin verkörpert die Hauptstadt Indiens selbst einen faszinierenden Antagonismus: Auf der einen Seite präsentiert sich Old Delhi als grandioses Chaos aus Gerüchen, Farben und Geräuschen, aus menschenüberfluteten Gassen und architektonischen Kostbarkeiten wie dem Roten Fort der Moguln oder der Freitagsmoschee Jama Masjid. Auf der anderen Seite wiederum verblüfft das kühn angelegte New Delhi, wo man auf koloniale Prachtstrassen und Regierungsgebäude stösst, auf moderne Geschäftsviertel aus Glas und Stahl und imposante Museen.
Die traditionelle Farbe der Gastlichkeit ziert die «Pink City» Jaipur – anlässlich eines Besuchs des Prinzen von Wales im Jahr 1876 hüllte sich die Hauptstadt Rajasthans in ein warmes Rosa und trägt dieses Farbkleid bis heute. Willkommen geheissen wird man aber allein schon von der Menge an Sehenswürdigkeiten. Sie reichen von der Sternwarte aus dem 18. Jahrhundert bis zum Palast der Winde: Das fünfstöckige Gebäude ist ein gigantisches, fein ziseliertes und von Balkonen übersätes Sandsteingespinst, in dem die Haremsdamen in Dutzenden von Erkern sitzen und Festumzüge beobachten konnten, ohne selbst gesehen zu werden.
Warum das Taj Mahal bei Agra das meistfotografierte Gebäude Indiens ist, verstehen Besucher auf Anhieb. Das legendäre Grabmal, das Kaiser Schah Jehan I. für seine Lieblingsfrau bauen liess, erhebt sich wie ein steinernes Liebesgedicht aus einer Gartenanlage. Rund 1.000 Elefanten schafften die Baumaterialien aus dem ganzen Land herbei, 28 Arten von Edelsteinen und Halbedelsteinen wurden in den schneeweissen Marmor gesetzt. Tausende von Handwerkern arbeiteten 17 Jahre lang an diesem Prachtbau, in dem persische und indische Elemente miteinander verschmelzen.
Über Jhansi und Orcha, das ebenso vor Tempeln und Palästen verschiedener Baustile strotzt, geht es nach Khajuraho, wo nicht weniger als 85 Reste von Tempeln im Dschungel liegen. 22 von ihnen sind erhalten und begeistern mit fein ziselierten Steinmetzarbeiten: Skulpturen und Reliefs von Gottheiten und Frauen, viele davon Meisterwerke erotischer Bildhauerkunst.
Zu Varanasi muss man eigentlich nicht viel sagen. Darum gastiert die Gruppe auch gleich drei Nächte im einstigen Benares, das seit 2500 Jahren heiligster Pilgerort der Hindus und damit das religiöse Zentrum des Landes ist. Eine abendliche Bootsfahrt auf dem Ganges stellt sicherlich einen der Höhepunkte der Reise dar, wenn hinduistische Priester während der Aarti Pooja mit Öllampen, Räucherstäbchen, Blumenopfern und Gebeten am Dashashwamedh Ghat das Feuer verehren.
Der Royal Chitwan National Park liegt bereits in Nepal, was durch die Präsenz eines berühmten Achttausenders herrlich hervorgehoben wird: Von hier hat man einen prächtigen Blick auf das mehr als 8.000 Meter hohe Annapurna-Massiv. Die Augen richten sich dennoch mehr auf den Boden. Der Grund dafür ist die spektakuläre Fauna des Parks mit ihren Panzernashörnern, Krokodilen und Wildschweinen, die sich am schönsten vom Rücken eines Elefanten beobachten lassen.
Auf dem Weg nach Pokhara geht es fünf Stunden lang dem Himalaya entgegen. Besondere Bauten oder Tempel sucht man in dem Ort vergebens. Doch wie kaum irgendwo sonst ist es hier gerechtfertigt, von Naturschauspielen zu sprechen: Die schier mystische Schönheit des Phewa-Sees, der gewaltige Annapurna, die gezackte, von Schnee und Eis gepanzerte Pyramide des Machapuchare oder die tosenden Devis-Wasserfälle: Pokhara versetzt nicht nur Naturliebhaber in einen regelrechten Landschaftstaumel. Auf einer Wanderung in das Gurung-Dorf Dhampus lässt er sich besonders gut geniessen.
Im Gegensatz dazu ist die Hauptstadt Kathmandu eine grossartige Mischung aus uralten Palästen, Tempeln und Stupas, aus verwunschenen Gassen, vibrierenden Basaren und traditionellen Läden. Viele der vom grossen Erdbeben im Jahr 2015 beschädigten Bauwerke erstrahlen wieder in altem Glanz. Dazu gehört zum Beispiel der Stupa von Bodnath aus dem 5. Jahrhundert. Der 36 Meter hohe, golden gleissende Sakralbau gehört zu den bedeutendsten buddhistischen Pilgerzielen. Vor allem im Morgengrauen und in den Abendstunden finden sich Gläubige ein, um ihn im Uhrzeigersinn zu umrunden. Besonders ergreifend ist der Anblick in manchen Vollmondnächten, wenn Zigtausende Butterlämpchen auf den umgebenden Terrassen brennen und deren mandalaförmigen Grundriss nachzeichnen.
Ausflüge zu den Königsstädten Patan und Bhaktapur runden den Aufenthalt in Nepal ab. Vor allem Bhaktapur, das für Autos und Motorräder grossenteils gesperrt ist, wirkt wie ein riesiges Freiluftmuseum. Überall zieren grossartige Holzschnitzereien die Häuserfronten, sitzen Handwerker und töpfern Keramiken, die allerorten getrocknet und gebrannt werden. Patan wiederum ist berühmt für seine vielen schönen, mit Hindu-Gottheiten verzierten Brunnen. Für die meisten Einwohner sind sie die einzigen Wasserspender, was ihnen eine religiöse Bedeutung verleiht. So unterstreichen die Spaziergänge durch die mittelalterliche Welt von Patan und Bhaktapur noch einmal das, was die Reise in jeder Minute zum Vorschein bringt: eine exotische Schönheit, in der das Gemüt der Teilnehmer noch lange baden wird.