
The City of Gardens
- Januar 14, 2017
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Ein altes chinesisches Sprichwort besagt: «Im Himmel gibt es das Paradies, auf Erden Suzhou.» Und damit verspricht es nicht zu viel: Wunderschöne und zum Teil uralte Gärten machen die Stadt zu einer der schönsten Chinas. Die Geschichte der berühmten Gärten geht bis ins 11. Jahrhundert zurück, was Suzhou zum Geburtsort der chinesischen Gartenkunst macht. In den Glanzzeiten der Ming-Dynastie von 1368 bis 1644 beherbergte die Stadt rund 270 Gärten. Heute stehen einige der über 60 vollständig erhaltenen Anlagen auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes, wovon wiederum etwa ein Dutzend für Besucher zugänglich ist.
Bekannt sind die wunderbaren Gärten vor allem für ihre Verbindung kultureller und natürlicher Elemente. So tauchen die Besucher ein in die Gedankenwelt der Gelehrten: Viele gebrochene Männer, ehemalige Beamte, Staatsdiener, enttäuschte Geschäftsmänner entflohen dem Trubel, entschieden sich stattdessen für das Leben eines Einsiedlers und schufen sich mit den Gärten einen Ort der Ruhe, des Rückzugs und des Friedens.
Traumlandschaften
Wer den gepflasterten Wegen durch die Gärten von Suzhou folgt, passiert nicht nur weitläufige Höfe und Terrassen, duftende Blumen und unzählige Flüsse, sondern auch natürliche Skulpturen aus Taihu-Stein. Der gleichnamige Tai-See – «hu» steht im Chinesischen für See –, von dessen Insel die meisten Steine stammen, verlieh ihnen seinen Namen. Die natürlichen Kunstwerke bestehen aus einem porösen Kalkgestein, das für mehrere Jahre in einem See gelagert wird. Der Stein wird dadurch stellenweise aufgelöst und es entstehen aussergewöhnliche Formen.
Diese Kunstwerke schmücken etwa auch den im Süden von Suzhou gelegenen «Löwenwald» (auf Chinesisch «Shizi Lin»), der seinen Namen den zahlreichen löwenartigen Felsspitzen verdankt. Diese sowie unzählige Verwinkelungen und Höhlen, von denen einige betreten werden können, geben der Anlage einen unverkennbaren Charakter und sollen die Traumlandschaft jenes Mönches darstellen, der 1342 den «Löwenwald» angelegt hat. Der Steingarten besitzt ein komplexes Labyrinth – von einem Pavillon aus haben die Besucher die Möglichkeit, auf die im Labyrinth herumirrenden Menschen hinunterzuschauen. Vielleicht war dieser amüsante Anblick mit ein Grund, weshalb man sagt, dass der Kaiser Qianlong (1711–1799) jeweils lange auf dem besagten Pavillon verweilt haben soll.
Gleich in der Nähe des «Löwenwalds» liegt der grösste und wohl berühmteste Suzhou-Garten, «Der Garten des bescheidenen Beamten» (Zhuozheng Yuan). Er liegt an der nordöstlichsten Ecke von Suzhou und wurde im 16. Jahrhundert vom ehemaligen Beamten Wang Xianchen angelegt, der für seinen Ruhestand eine sinnvolle Beschäftigung suchte. Weil sein Sohn jedoch den Besitz beim Glücksspiel verlor, wurde der Garten für lange Zeit aufgeteilt. Erst in den 1940er Jahren wurden die Teilungen wieder aufgehoben und der Garten wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Heute gehört er zu den schönsten Gärten Chinas. Sein Ostteil beherbergt einen Pflanzengarten mit Bambus, uralten Bäumen, exotischen Blumen und geschwungenen Wasserläufen. Die edelste Anlage befindet sich im Mittelteil, wo kunstvolle Pavillons stehen, die den Besuchern einen prächtigen Ausblick auf die Anlage und den von Lotusblättern bedeckten Teich eröffnen. Brücken und überdachte Wandelgänge umgeben ihn und im Westteil verteilen sich über 700 Bonsai-Bäumchen. Ein weiteres Highlight ist die Halle der achtzehn Chinarosen, die sich ebenfalls in diesem Teil befindet und mit altertümlichen Möbeln, Malereien und Kalligrafien ausgestattet ist.
Der Meister der Netze
Kommen wir von der grössten zur kleinsten Anlage Suzhous – und gleichzeitig einer der ältesten: «Der Garten des Meisters der Netze» (Wangshi Yuan). Shi Zhengzhi, ein Vize-Minister, erbaute ihn Ende des 12. Jahrhunderts, nachdem er genug von der, seiner Ansicht nach, falschen Weltpolitik hatte und nicht mehr dem Staat dienen wollte. Also schaffte sich dieser, wie es ihm später viele gleichtaten, eine Oase der Ruhe, einen Platz des stillen Protests und der Zuflucht. Der Wohnbereich befindet sich im Osten, in der Mitte das Gartenzentrum und im Westen der Innengarten. Ein Teich, der von Brücken, Pavillons, Felsen und Wandelgängen umgeben wird, bildet den Mittelpunkt.
Der Namensgeber des Gartens war ein Fischer, bei dem sich der legendäre Beamte Qu Yuan über seine Leiden beschwerte. «Wenn die blauen Wellen klar sind, wasche ich meine Hutbänder darin und trete in die Dienste des Herrschers», entgegnete ihm der Fischer daraufhin, «Wenn die blauen Wellen aber schmutzig sind, wasche ich meine Füsse darin und geniesse stattdessen das sorglose Leben des Einsiedlers.»
Ob sich 1595 auch Xu Taishi für das abgeschiedene Leben entschieden hat? Der Mann, auch er war ein Beamter, soll damals jedenfalls den Bau des «Garten des Verweilens» (Liu Yuan) in Auftrag gegeben haben. In den Landschaftsteilen im Norden und Westen befinden sich etwa 300 historische Steintafeln mit berühmten Kalligraphien aus verschiedenen Zeitepochen. Besonders bekannt ist der Garten durch seine kunstvolle Architektur, das harmonische Zusammenspiel von Hügeln und Wasser sowie durch die regelmässigen Vorführungen von chinesischer Pingtan- und Guqin-Musik.
Die besagten botanischen Schätze Suzhous sind Ausdruck der chinesischen Geisteshaltung und durch ihren traditionellen Kunst- und Kulturcharakter kostbar. Die Magie dieser Gärten hat sich herumgesprochen. Deswegen ist all jenen, die sich von ihnen verzaubern lassen möchten, geraten, in den frühen Morgenstunden oder am späteren Nachmittag zu erscheinen, da dann der touristische Andrang nicht so gross ist. Doch ganz egal, zu welcher Zeit man die Anlagen besucht, die Gedanken ihrer Erschaffer und den Geist, die Ruhe und Idylle dürfte jeder Gast spüren.