
In einem Land vor unserer Zeit
- Juni 29, 2017
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Mitten im Atlantik liegen neun paradiesische Inseln, die mehrheitlich durch die Wettervorhersage, das Azorenhoch, bekannt sind. Bizarre Bergspitzen, riesige erloschene Vulkankrater mit schillernden Seen und meterhohe fliederfarbene Hortensienbüsche machen aus dem Vorhof zum europäischen Kontinent eine Art Garten Eden.
Knapp 26 schlummernde Vulkansysteme und eine Viertelmillion Einwohner verteilen sich auf die Inseln mit den schroffen Klippen und steilen Berghängen. Jahrhundertealte Traditionen und Riten gehören zu diesem Flecken Erde genauso dazu wie die wunderbar friedliche Abgeschiedenheit vom gestressten Europa.
Wundertüte
Sie fallen nicht unter die üblichen Verdächtigen mit riesigen Bettenburgen, überlaufenen Stränden und dem täglichen Gerangel um Liegestühle und Essensbüffets. Es ist ein Reiseziel, das die Gäste mit Authentizität, Ursprünglichkeit und einer unglaublichen Vielseitigkeit verzaubert und trotz des wechselhaften, jedoch angenehmen Wetters eine Ganzjahresdestination ist. Entgegen der allgemeinen Meinung, es gäbe praktisch keine, und wenn dann nur dunkle, beweisen die hellen Strände auf den Inseln São Miguel, Santa Maria oder Fajal das Gegenteil. Doch die Azoren nur der Strände wegen zu bereisen, wäre wie der Besuch in einem Gourmet-Restaurant, um dort lediglich das Brotkörbchen leer zu essen. Wundervolle Wanderwege, heisse Quellen mitten im Urwald, tiefentspannte Spaziergänge an den Seitenrändern blühender Vulkankrater oder eine rauschende Hafenparty mit dröhnender Live- Band in Ponte Delgada auf São Miguel sind nur ein Bruchteil dessen, was die Schmuckschatullen im Atlantik
zu bieten haben.
Zauberreich
Als sich vor circa 10’000 Jahren die Lava zweier Vulkane entlud, verband diese zwei bis dahin autonome Teile zu einer Einheit und gab so der Hauptinsel São Miguel ihre Form. Noch heute ist der Vulkanismus auf der Insel spürbar, wenn es auf einer Wanderung in der Nähe der Caldeiras plötzlich sehr heiss wird unter den Füssen oder es in den kleinen Pfützen blubbert. Etwas abgeschieden auf ungefähr 600 Meter Höhe in den Bergen von São Miguel liegt der Lagoa do Fogo, der schönste aller Kraterseen der Azoren. 1563, als der Pico da Sapateira ausbrach, entstand ein fantasievoll geformter und glitzernder See, der von den steil aufragenden und heute bewachsenen Rändern des immer noch komplett naturbelassenen Kraters umrahmt wird. Hängen keine dunstigen Wolkenschwaden über den Kraterrändern, entfaltet sich ein spektakulärer Ausblick auf einen gelb-blau-grün glitzernden See.
Terra Nostra
In einem riesigen, 6,5 km langen und 290 Meter tiefen Vulkankrater liegt idyllisch eingebettet der Kurort Furnas. 22 mineralhaltige Quellen speisen unter anderem auch den Badesee im Parque Terra Nostra, der schönsten Parkanlage des Archipels, wo Riesenfarne und exotische Pflanzen gedeihen und das eisenhaltige, ockerbraune Wasser eine ganzjährige Temperatur von 38 Grad Celsius aufweist. Im östlichen Teil Furnas’ dampfen nach Schwefel riechende, heisse Fumarolen, brodelt irgendwie fast schon überall heisses Wasser am Boden und sind die Temperaturen an manchen Stellen so hoch, dass man über einen begehbaren Kochherd spaziert. Die geothermische Energie wird daher für eine kulinarische Delikatesse genutzt, die zugegebenermassen sehr lecker, jedoch auch äusserst nahrhaft ist. «Cozido das Furnas» ist ein Eintopf, der mit verschiedenen Fleischsorten, Chorizo-Salami, Blutwurst, allerlei Gemüse und Kartoffeln gefüllt wird. Der mit Köstlichkeiten und Kalorien gefüllte Topf wird in ein Erdloch vergraben, in dem er sechs Stunden lang schmort und durch den Dampf der Mineralstoffe eine besondere und unverwechselbare Geschmacksnote erhält.
Pico, «das» kleine Schwarze
Die zweitgrösste Insel der Azoren wird auch die schwarze Insel genannt und ist bekannt für ihren süffigen Wein. Seit Jahrhunderten widmen sich die Menschen auf Pico dem Weinanbau und haben damit eine einzigartige Weinlandschaft erschaffen, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Die Insel mit dem dunklen Lavagestein und den pechschwarzen Häusern zwischen saftig grünen Wiesen entfaltet eine besondere Magie, und die Geschichte der Bauern, Fischer, Walsucher und Walfänger ist allgegenwärtig. Eine magische Anziehungskraft übt der 2351 Meter hohe Vulkan Pico aus, der zugleich der höchste Berg Portugals ist. Aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet sieht die Spitze des Bergs wie ein weiblicher Busen aus. Rund um den Pico existieren zahlreiche Vulkanhöhlen, die teilweise bis tief in den Berg reichen. Hier findet sich auch die längste, stockdunkle Vulkanröhre der Azoren. Die «Gruta das Torres» bei Criacao Velha ist auf einer gewissen Strecke für Touristen begehbar, und wer sich im Innern der Lavaröhre befindet, wähnt sich auf dem Kometen des Hollywood-Streifens «Armageddon».
Die blaue Schönheit
Die Insel Fajal erscheint während der Blütezeit ihrer Hauptattraktion wie eine einzige, riesige und blauschattierte Hortensie. Gerade mal sechs Kilometer trennen Fajal von Pico, das in einer Minifahrt mit der Fähre erreicht werden kann. Fajal, die blaue Insel mit dem satten Grün der Sicheltannen und den roten Windmühlen, vermittelt den Anschein eines Gemäldes, und es fühlt sich an, als befände man sich mitten in einer Postkarte. Im malerischen Hafen von Horta, der Hauptstadt Fajals, finden sich gleich zwei Unikate. «Peter’s Bar», in der sich Segler, Surfer und Walbeobachter aus aller Welt treffen und den ihrer Meinung nach besten Gin der Welt geniessen, sowie Norberto, wettergegerbter Pionier der nautischen Aktivitäten der Insel. Der quirlige Mann mit dem roten Stirnband kennt jeden Grashalm der Azoren und amüsiert sich köstlich über die touristischen Walbeobachter, die hinter jedem Schaumkrönchen einer Welle die Fontäne eines Wals vermuten. «Over there, yes, yes, yes, here we go!» Beim sanften Riesen im Meer handelt es sich um ein Buckelwal-Baby, das im Wasser dümpelt und Wasserspritzer in die Luft schiesst, bis plötzlich ein Teil des Kopfes über dem Meeresspiegel zu sehen ist. «Attention, attention, be prepared», ruft Norberto aufgeregt. Das Wal-Baby holt zum letzten Mal Luft, bevor es mit der Schwanzflosse auftaucht, um gleich darauf mit einem anmutigen Schwung, wie die elegante Drehung eines Wiener Walzers, in die Tiefen des Atlantiks abzutauchen. Es ist einer von so vielen Momenten auf den Azoren, der die Andersartigkeit dieser Destination fühlen lässt. Die Natur ist sichtbar, die Authentizität spürbar, das Besondere wahrnehmbar.