
Im Garten der Aphrodite
- August 7, 2017
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Dank ihrer strategischen Lage an der Nahtstelle dreier Kontinente, zwischen Orient und Okzident, war die drittgrößte Mittelmeerinsel schon in der Antike ein Spielball in den politischen Ränkespielen der Supermächte.
Egal ob die frühen Hochkulturen der Phönizier, Assyrer oder Hellenen, das Ägypten der Pharaonen, Persien, Rom und Byzanz, später die Kreuzritter oder die mittelalterlichen Handelsmächte Genua und Venedig, zuletzt das Osmanische Reich und das British Empire: unzählige Völker und Kulturen haben auf Zypern ihre Spuren hinterlassen – auch kulinarisch.
Aus diesem Grund zählt die Inselküche bis heute zu den vielfältigsten des gesamten Mittelmeerraumes. Vor allem ihr großzügiger Umgang mit Gewürzen, die in der klassisch mediterranen Küche ansonsten abgesehen von frischen Kräutern eher sparsam verwendet werden, machen Einflüsse aus dem nahöstlichen, aber auch nordafrikanischen Kulturkreis deutlich. So stehen neben dem typischen Dreigestirn aus Petersilie, roten Zwiebeln und Zitrone, das die engen kulinarischen Bande zum benachbarten Griechenland und der Türkei unterstreicht, auch große Mengen frischen Korianders, Kreuzkümmel, Piment, Nelken oder Zimt auf der Zutatenliste typischer Spezialitäten. Fisch und Meeresfrüchte dagegen, spielen in den überlieferten Rezepten nur eine untergeordnete Rolle, obwohl Zypern von reichen Fanggründen umgeben ist. Da die Gestade des Eilands aber über Jahrhunderte hinweg heftig umkämpft waren, zogen es viele Einheimische vor, im Landesinneren zu siedeln und widmeten sich dort lieber Ackerbau und Viehzucht statt der Fischerei. Allenfalls in Rotwein geschmorter Oktopus und andere Variationen rund um Kalmar bzw. Sepia oder frischer weißer Thun- und Schwertfisch vom Grill haben deshalb einen festen Platz im Küchenrepertoire der Insel. Sie stehen aber auch heute meist nur in Restaurants und Kneipen in unmittelbarer Küstennähe auf der Speisekarte, denn Frische schätzen die Zyprer über alles. Tiefkühlkost und Konserven? Undenkbar. Der meiste in den Urlauberhotels servierte Fisch wird dagegen importiert.
Lamm-, Schweine- aber auch Ziegen- und Rindfleisch wiederum sind aus der lokalen Küche nicht wegzudenken und werden in Dutzenden von Variationen serviert, die weit raffinierter sind, als das in mediterranen Gefilden übliche Grillen. So wird das Fleisch vor der Zubereitung oft tagelang mariniert, in Rot- bzw. Süßwein gegart bzw. im traditionellen Lehmofen mit reichlich Knoblauch, Lorbeer, Zimt und Nelken geschmort. Schweinefleisch dagegen kommt oft gepökelt und luftgetrocknet auf den Tisch. Typische Wurstspezialitäten der Insel sind mit Koriander gewürzte Loukanika, ebenfalls in Rotwein eingelegt, bevor sie auf dem Grill oder in der Räucherkammer landen oder Pastourma, denen reichlich schwarzer Pfeffer und Bockshornklee eine pikante, fast orientalische Note verleihen. Halloumi-Käse, dessen Geschichte bis ins Mittelalter zurück reicht, als Zypern unter byzantinischer Herrschaft stand, eignet sich dank seiner Konsistenz ebenfalls gut zum Grillen. Anders als Feta wird er meist aus einem Mix von Schafts-. und Ziegenmilch, seltener auch Kuhmilch und unter Zugabe von Minze hergestellt, bevor er in Salzlake reift.
In Sachen Wein führt Zypern mit dem Commandaria gar den wohl ältesten „Markenwein“ der Welt im Sortiment, den schon Richard Löwenherz bei seiner Hochzeit mit Berengaria von Navarra auftischen liess und ihn dabei als „Wein der Könige und König der Weine“ gerühmt haben soll. Benannt nach dem einstigen Hauptquartier der Tempelritter, liegen die Ursprünge dieser im Solera-Verfahren erzeugten Süßweinspezialität allerdings im Dunkel der Geschichte verborgen. Vermutlich erlebte der Weinbau auf Zypern aber schon vor 5.500 Jahren eine erste Blütezeit und damit schon rund 2000 Jahre früher als im minoischen Kreta. So soll bereits der sagenumwobene König Salomo Zypernwein geschätzt haben.
Seit den 1990 Jahren werden auf Zypern aber auch zunehmend trockene Weine auf Basis internationaler Rebsorten produziert. Spannender jedoch sind jene Tropfen, die aus den zahlreichen autochthonen Rebvarietäten der Insel gekeltert werden – allen voran Mavro, Maratheftiko, Ofthalmo, Lefkada, Xynisteri und Spourtiko. Dabei erreichen die Anbaugebiete dank des milden Klimas Höhenlagen von bis zu 1500 Metern und sind damit die höchstgelegenen Europas. Einer der besten Erzeuger der Insel ist das Weingut Vouni Panayia in der Nähe des Chrysorrogiatissa Klosters im Nordwesten der Insel. Yannis Kyriakides und sein Vater Andreas kultivieren dort ausschließlich endemische Rebsorten. Besonders gelungen: der seltene weiße Promara, von dem jährlich nur rund 2000 Flaschen abgefüllt werden oder der nicht minder rare rote Yiannoudi, dem der Ausbau in französischer Eiche den letzten Schliff verleiht. Übrigens besagt eine Legende, die ersten Reben, die in der Champagne kultiviert wurden, stammten ursprünglich von den Hängen des Mount Olympos, mit fast 2000 Metern höchster Gipfel Zyperns. Und vielleicht ist an dieser Geschichte sogar ein Körnchen Wahrheit, denn tatsächlich importierten die Kreuzritter ab dem 12. Jahrhundert regelmäßig Rebklone von der Insel nach Kontinentaleuropa.
Ein weiterer typischer Drink, der in allen Bars der Insel serviert wird, ist Brandy Sour – ein exzellenter Aperitif und Erbe der britischen Kolonialherren, die das Eiland erst Anfang der 60er Jahre in die Unabhängigkeit entließen. Nach einem üppigen Mal hilft dann ein süßer Mokka der Verdauung auf die Sprünge. Doch zurück zur Küche.
Neben zahlreichen Traditionslokalen, die sich einheimischen Spezialitäten verschrieben haben, gibt es auf Zypern seit einigen Jahren auch eine ambitionierte Riege von Küchenchefs, die traditionelle Rezepte behutsam modernisieren oder auf Basis internationaler Zutaten neu interpretieren.
Einer der Protagonisten dieser „Neuen zyprischen Küche“ ist David Goodridge. Als Exekutive Chef führt er das Szepter in den Restaurants des renommierten 5*-Resorts Anassa bei Polis am Eingang der unter Naturschutz stehenden Akamas-Halbinsel im äußersten Nordwesten der Inselrepublik. Darunter das Helios – eine der besten Fine Dining Adressen der Insel oder das Basiliko, das mit Asian-Fusion Cuisine auf Weltklasseniveau begeistert.
Gäste der im Stile eines byzantinischen Dorfes errichteten Anlage können die Akamas-Halbinsel bei einer Jeep-Safari oder während einer Minikreuzfahrt entlang der zerklüfteten Steilküste erkunden, die u.a. zur legendären Blauen Lagune führt. Tatsächlich ist das zu den Leading Hotels zählende Resort mit 166 Zimmern, Suiten und Residenzen, eingebettet in einen rund 8,5 Hektar großen Garten direkt am Asprokremnos-Strand, eine der schönsten und luxuriösesten Ferienanlagen im gesamten Mittelmeerraum und wurde mehrfach als bestes Hotel der Welt ausgezeichnet. Ein Erfolg, an dem Goodridge und sein Team, der die Anassa Küche in den letzten Jahren konsequent in Richtung Regionalität und Nachhaltigkeit umgebaut hat, nicht ganz unbeteiligt ist.
Seine kulinarischen Sporen verdiente sich der gebürtige Brite bei Raymond Blanc im Le Manoir aux Quat Saisons, wo er bereits mit 25 Jahren zum Senior Sous Chef aufstieg, bevor er nach kurzen Intermezzi in den Restaurants von Michel Troisgros, Piere Gagnaire, Bernard Loiseau und Koyama Hirohisa 2005 Küchenchef des legendären Gaddi´s im The Peninsula Hongkong wurde. 10 Jahre später kehrte er schließlich nach Europa zurück und lenkt seitdem die kulinarischen Geschicke des Anassa.
Goodridges besondere Liebe gilt dabei den traditionellen zyprischen Mezedes – einer schier endlosen Folge kleiner Speisen und Gerichte, die am Tisch mit Familie und Freunden geteilt werden und einen appetitlichen Querschnitt durch das kulinarische Angebot der Mittelmeerinsel bieten: die Seele zyprischer Gastkultur. Viele alteingesessene Restaurants sind deshalb auf Mezedes spezialisiert. Übersetzt bedeutet Mezedes übrigens schlicht „kleine Leckereien“ – eine maßlose Untertreibung. Deshalb sollte man sich hüten, schon bei den ersten Speisen, die aufgetischt werden, allzu beherzt zuzugreifen. Die wichtigste Devise beim Genuss eines authentischen Mezedes Gelages lautet nämlich “siga-siga“ – immer schön langsam. Serviert werden die Gerichte dagegen meist in atemberaubender Geschwindigkeit.
Den Auftakt bilden eingelegte Oliven, ein erfrischender Bauernsalat, gepickelte Gemüse und diverse Pasten und Dips, z.B. Tahini, Hummus, Taramasalata oder Talattouri – die zyprische Variante des Zaziki. Allesamt serviert mit knusprigem Fladenbrot. Als nächstes kommen oft in Wein geschmorter Oktopus, eine Zalatine genannte, kräftige Schweinefleischsülze oder Karaoli yahni, Schnecken in Tomatensoße auf den Tisch. Als Erfrischung zwischendurch werden rohe Gemüse mit Salz und Zitrone gereicht, bevor es mit allerlei frittierten Fischchen, gegrilltem Halloumi und geräuchertem Schweinefleisch weiter geht. Wer jetzt noch nicht genug hat, erfreut sich an pikanten Hackfleischbällchen, Moussaka oder Fleisch aus dem Lehmofen. Als Dessert gib es frisches Obst oder mit Frischkäse und Honig gefülltes Gebäck.
Was genau bei einem solchen Gelage serviert wird, hängt dabei von der Jahreszeit und regionalen Gepflogenheiten ab; ob man seine Mezedes am Strand oder in den Bergen, in der Stadt oder auf dem Land genießt. Einziger Wermutstropfen: nach gefühlt 30 prall gefüllten Tellerchen, Schälchen und Schüsseln ist man reif für die Couch oder einen mehrstündigen Verdauungsschlaf!
Goodridge hat die traditionellen Mezedes-Rezepte deshalb deutlich verschlankt und blickt, auch was die Zutaten angeht, gerne ein wenig über den Tellerrand der Insel hinaus. So kombiniert er traditionelle, mit Minze verfeinerte Lamm-Köfte mit erfrischenden süßsauren englischen Pickles und backt sie nach asiatischer Art in Bananenblättern. Die berühmte zyprische Argaka-Wassermelone wird bei ihm mit dem saftigen Fleisch der Königskrabbe kombiniert, während er Oktopus Souvlaki mit Weintrauben-Chutney paart. Japanese Style Thunfisch-Tataki dagegen erhält durch eine fruchtige Sauce aus Tomaten und Chili einen deutlich mediterranen Akzent. Aber auch beim Dessert gibt Goodridge Vollgas – köstlich z.B. der feine Schafs-Joghurt parfümiert mit Damaszenerrosenwasser und serviert mit marinierten Erdbeeren, denen aromatische Kräuter aus dem Garten des Anassa eine fast schon pikante Note verleihen. Guten Appetit!