Der Regenschirm: Handgemachte Meisterwerke
- Oktober 25, 2016
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Ganz Europa wird von Billigschirmen aus Asien überschwemmt. Mit ihnen steht man zwar auch im Trockenen, für einen gelungenen Auftritt sollte es dann aber doch etwas Stilechteres sein. London gilt als Metropole der Regenschirme, doch werden auch noch in Mailand und Paris Meisterwerke von Hand hergestellt. Michel Heurtault hat im 12. Pariser Arrondissement seine Werkstatt. Schon als Kind, so erzählt er, haben ihn Regenschirme fasziniert. Er baute sie auseinander, wieder zusammen und repariert bald die Schirme aus dem Quartier. Heute ist er mit seiner Werkstatt einer der wenigen, die in Europa noch Schirme mit der Hand herstellen – zumeist Regenschirme. Sonnenschirme sind nur noch in Japan, Australien und für den Film gefragt. Für seine Fähigkeiten wurde Michel Heurtault der Titel eines Maître d’Art verliehen. Aus edlen Hölzern stellt er Griff und Stock her, an alten Maschinen produziert er das feingliedrige Metallgestänge, und die feinen Stoffe des Schirms schneidet und näht er mit der Hand. Jeder Schirm ist ein Unikat, das sich mit einem satten Ton öffnet und Schatten spendet oder vor Unwettern schützt.
Die Sammlung
Seine lebenslange Leidenschaft hat Michel Heurtault auch eine eindrückliche Sammlung gebracht. Über 3?000??Schirme sind in seinem Besitz, und dazu kommen noch die unzähligen Originalteile, die er auf Flohmärkten für seine Werkstatt zusammengetragen hat. Sein ältester Schirm ist verhältnismässig jung. Es ist ein dreifach-klappbarer Sonnenschirm des französischen Schirmmachers Jean Marius, der auch für Ludwig??XIV. Schirme baute. Damals begann man auch, Regenschirme zu verwenden. Der Name erinnert noch daran: ombrell im Italienischen, umbrella auf Englisch und umbrelle auf Französisch – kleine Schatten. Der Sonnenkönig hatte 1673 neben elf Sonnenschirmen auch drei gegen Regen. Der Sonnenschirm war ein wichtiger Begleiter der Noblesse, da er die Haut vor den Sonnenstrahlen schützte, und wurde für Jahrhunderte zum modischen Accessoire.
Londoner Regen
Erst zu Beginn des 18.?Jahrhunderts kommt der Schirm nach England und wurde als Regenschirm benutzt. Populär wurde der Schirm auf der Insel durch Jonas Hanway (1712–1786), der ihn um 1750 von seinen Reisen mitgebracht hat und regelmässig benutzte. Damals wog ein Schirm über fünf Kilogramm und war entsprechend schwer zu tragen. Das Gestell war meist aus Walknochen, der Schirm aus ölgetränktem Wachstuch und der Stock aus dickem Holz. Es dauerte noch 100 Jahre, bis Samuel Fox aus Sheffield 1848 ein leichtes Stahlgestell erfand. Seitdem haben Regenschirme ein tragbares Gewicht, und die Produktion explodiert förmlich.
Mit Charme und Melone
Früher war es in England üblich, dass der Vater dem Sohn zum ersten Job einen «anständigen» Regenschirm schenkt. Und wer heute einen guten Anzug trägt, der gibt sich nicht mit einem chinesischen Massen-Wegwerfprodukt zufrieden. Das britische Understatement legt Wert auf Qualität und Details. Ein Regenschirm von Fox Umbrellas hält, wenn er gepflegt wird, mehrere Generationen lang. Das kleine Traditionsunternehmen besteht seit 1868 und zählt zu den besten Regenschirmmachern der Welt. Man weiss, dass Fox Umbrellas Regenschirme für J.?F.??Kennedy gemacht hat, und ist sich sicher, dass sie es auch für das britische Könighaus tun. Als man während des Zweiten Weltkrieges Fallschirme produzierte, entdeckte man den neuen Kunststoff Nylon für sich und die Regenschirme.
Die Stadt der Mode
Heute werden in Mailand die letzten handgefertigten Schirme «made in italy» hergestellt. Die Werkstatt liegt unscheinbar an einer der Ausfallstrassen im Süden der Stadt. Ombrelli Maglia ist ein Familienunternehmen in der 5.?Generation. Der Ururgrossvater von Francesco Maglia hatte die Firma 1850 in Montechiari bei Brescia gegründet. Auch in dem italienischen Familienbetrieb wird mit grosser Sorgfalt Schirm für Schirm gebaut. Es sind über 120?Arbeitsschritte nötig, um einen Regenschirm zu bauen. Vom Stock, der glatt und gerade sein muss, damit der Metallring, mit dem der Schirm geöffnet und geschlossen wird, glatt läuft, über die Sprungfeder, die den Metallring befestigt, zu dem Griff. Über das Gestell zum Tuch zur Naht. Die Regenschirmwerkstätten sind Francescos Leben. Schon als Kind trieb er sich zwischen den Drechslern und Schneidern herum.