
«De Madrid al cielo»
- Mai 28, 2014
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«De Madrid al cielo» heisst ein Sprichwort der Madrilenen. – «Von Madrid aus direkt in den Himmel». Mit anderen Worten, gibt es nach dem Empfinden der spanischen Hauptstädter nichts Göttlicheres als die Stadt Madrid selbst; ausser eben irgendwann ganz oben beim Allmächtigen anzukommen.
Auch wenn der Himmel noch lange warten kann, man sollte öfter «nach oben schauen» in dieser iberischen Hochburg der Schönheit. Denn was es hier unter diesem, nach König Felipes IV Hofmaler Diego Velzaquez benannten, «velzaqueñischem» tiefblauem Himmel zu sehen gibt, ist monumental: Da gruppieren sich auf den Dächern der gewaltigen Paläste, Stadthöfe, beängstigend lebensnahe Skulpturen von viel bepferdeten rasenden Streitwagen, stolzen Kriegern, mystischen Engeln, durchmischt mit gigantischen Uhren, Türmen und goldenen Kugelsäulen. Kurzum, direkt unter Madrids Himmel geht es so turbulent zu wie in epischen Geschichtsdramen à la Spartakus.
Der Geist Madrids
Der Geist Madrids
Zurück auf iberischem Boden findet der Besucher in Madrid eine Mischung aus brodelndem Treiben, schrägen Stadtvierteln, prachtvoller antiker und moderner Architektur, Reliquien vergangener Zeiten und allerorts eine scheinbar nie enden wollende überschäumende Lebensfreude. Krise in Spanien? Ja, und wie! Aber grundsätzlich gilt: «Es gibt nichts, was sich nicht durch ein gutes Glas Wein mit Freunden regeln lässt!» Den Geist der Stadt machen die Menschen aus: Madrilenen sind stolz auf die Ihrigen und überaus gastfreundlich zu Besuchern, hier bleibt keine Tür verschlossen. Zwischen Improvisieren, Chaos und dem in der Seele verankerten Optimismus wird das «Miteinander» im Bestreben gelebt, dass es ein jedem an nichts fehlen darf.
Bei mir gleich um die Ecke wohnt Schriftsteller Javier Marias («Mein Herz so Weiss»), just daneben haben sich die Homeless Antonio und José auf meiner Strasse eingerichtet, wo sie im Übrigen nie alleine sind. Hier kennt jeder jeden, wie in einem Dorf: Mein Barrio «Los Austrias» lebt über das ganze Jahr hinweg draussen, unter diesem fast immer blauen Velazquez-Himmel, ganz gleich, ob während der Semana Santa hier die Madonna übers Kopfsteinpflaster getragen wird oder 100 Meter weiter in der Gran Via ein Pokal aus den jubelnden Händen «unserer» Fussballgötter der «La Roja» vom Bus runterfällt!
Irgendwas ist immer!
Irgendwas ist immer!
Madrid ist über das ganze Jahr so freudig bewegt und facettenreich wie die Gestensprache der handbemalten Fächer edler Damen. Die schönsten kaufen die Caballeros bei der «Casa Diego» gleich am geografischen Kilometer 0 Spaniens, auf der Puerta del Sol, wo Napoleon einst vom spanischen Volk bezwungen wurde. Zwischen dem geschichtsträchtigen Platz «Tor der Sonne», dem wunderschönen Tropengartenbahnhof «Atocha», dem Real-Madrid-Tempel «Estadio Bernabeu», der Plaza «Santa Ana» mit seiner melancholischen Garcia-Lorca-Statute und seinen wilden Cani-Bars, zwischen dem Edelviertel «Salamanca» und dem alternativen Immigrantenbarrio «Lavapies», findet sich auch an jeder Ecke und zu jeder Stunde Musik.
Im antiken «Café Central», gleich um die Ecke der Santa Ana, finden allabendlich die besten Jazz- und Blues-Konzerte statt (unbedingt reservieren). Im «Central» finden sich Jahr für Jahr Jazz- und Blues-Größen aus allen Teilen der Welt ein, es gilt als einer der besten Jazz-Clubs Europas und ist jeden Abend bis zur Stuckdecke rauf voll! Aber, wenn in Spanien, dann lieber Flamenco? Auf der zelebren Bühne im Hinterzimmer der berühmten «Casa Patas» feierten eine Vielzahl der grössten Flamenco-Stars ihr Debüt. In der «Casa Patas» kann man auch gleich zwischen jeweils zwei Konzerten am Abend die spanisch-rustikale und hier ausgesucht gute Küche geniessen. Es empfiehlt sich, bei derartig ambitionierten Plänen für den Abend, vorab am Nachmittag eine satte Siesta zu halten! – Die Uhren in Spanien gehen anders, denn vor 21 Uhr oder 22 Uhr wird kaum gegessen. Und wer bis spät durchhält, sollte in der «Casa Patas» die zweite Vorstellung des Abends gegen halb 1 Uhr nachts besuchen. In der sitzt man dann zwischen den authentischen «Gitanos» und Musikern.
Ein besonderes Mekka von Avantgarde-Restaurants, Vintage-Läden, Galerien, Programmtheatern, schrillen Cafés, speziellen Büchereien und schummrigen Cocktailbars findet sich zwischen den eng – wie verliebt – verschachtelten restaurierten Häusern in «Chueca» und «Malasaña», beide eine Art madrilenisches SOHO mit multikulturellem Touch aus Schwulen-, Künstler- und Kreativen-Szene! Hier stehen Edelhuren neben dem roten Teppich einer Vernissage, geben Literaten in Antiquariaten Lesungen, Tür an Tür mit Kramläden, die noch heute Niedrigpreise mit «Todo a 100» in Peseten anpreisen. Gleich daneben die Top-Cocktailbar «Valgame Dios», dort treffen sich bei Inhaber Santi Schauspieler, Musiker, Toreros – kurz: die Schönen und Berühmten – auf einen der besten Gintonics der Stadt!
Wer ausgesuchte Weine, Seeigel, Schinkenspezialitäten, Wermut vom Fass, Chorizos mit Mango, Joghurtspezialitäten oder Feingebäck geniessen möchte, sollte in den Mercado San Miguel gehen, eine im Altstadtviertel «Barrio de los Austrias» gelegene, im Jahre 1913 im Jungendstil erbaute, traumhafte Markthalle. Seit Dekaden unter Denkmalschutz stehend, ist der Mercado heute zu einem wahren Gourmettempel mutiert. An unzähligen Kochstellen werden hier die Spezialitäten gleich vor den Augen der Besucher zubereitet. Wer will, kann sich so den ganzen Tag durch Dutzende verschiedener Küchen probieren, die Gerichte kommen je nach Wunsch als ganze Rationen oder als kleine Tapas. Ein Besuch im Mercado San Miguel kann schnell zur Neuauflage des Ferreri Films «Das grosse Fressen» werden, auch Mastroianni und Piccoli, obschon Italiener, hätten hier wohl proklamieren wollen: «De Madrid al cielo»!