Cervesiam bibat – München und sein Bier
- Mai 23, 2016
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«Der Bayer hat ein irdisches Verhältnis zur Religion und ein mystisches zum Bier», stellt der Fundamentaltheologe Johann Baptist Metz zu Recht fest. In den grossen Kupferkesseln gärt sie, die Seele Münchens: Ob am Stiglmaierplatz, der Landsbergerstrasse oder in einer der anderen sechs Grossbrauereien. Zugegeben, Bier existiert schon etwas länger als München. Die Babylonier kannten schon 20 Sorten, und auch die Sumerer hatten bereits strenge Gesetze gegen Bierpanscher. Doch Oberbayern hat mit der Hallertrau das grösste Hopfen-Anbaugebiet der Welt, die älteste Brauerei und das bayerische Reinheitsgebot. Und so tendiert das Selbstverständnis hier mindestens zum Ziehvater des Bieres.
Das schlägt dem Fass den Boden aus
Dieses Jahr wird das 500-jährige Bestehen des bayerischen Reinheitsgebots gefeiert, dem nach Bier aus Wasser, Hopfen und Malz bestehen darf. Da die Hefe als Produkt des Brauens galt, wurde sie verschwiegen. Das Untergärige Bier Bayerns war empfindlich, und viele Brauer versuchten, mit Gewürzen wie Lorbeer den Geschmack, mit Ochsengalle die Haltbarkeit und mit Tollkirsche die Wirkung zu fördern. Das veranlasste Herzog Albrecht IV. schon am 30.1.1487 dazu, das Münchner Reinheitsgebot einzuführen. Zuvor wurde schlechtem Bier wie 1409 mit der Axt der Garaus gemacht. Mit der Vereinigung Bayerns 1516 wurde das Reinheitsgebot bayerisch, mit der Gründung der Weimarer Republik dann deutsch. Das brachte dem Bier in München nicht nur einen guten Ruf, sondern auch Brauer. 1600 gab es innerhalb der Stadttore 80?Brauer, wenn man die sechs brauenden Klöster mitzählt. Heute gibt es in München noch acht Grossbrauereien plus die kleinen Brauereien und die jungen Craft-Beer-Brauer.
Mein Bier
Traditionell werden in Bayern untergärige Biere gebraut, bei denen sich die Hefe am Ende am Boden absetzt. Einzig das Weissbier steht gegen diese Tradition, aber das ist eine andere Geschichte. Bis ins 19. Jahrhundert wurde vor allem dunkles Bier eingeschenkt, bis sich das helle in den Krügen einbürgerte. Auf die Bestellung «a Hoibe» («ein Bier») folgt noch heute ein Helles. Wie die Jahreszeit und die Kirche hat auch das Bier seinen eigenen Kalender. Im März beginnt die Starkbierzeit, in der die «…?ator» Biere mit ihrem hohen Stammwürzgehalt von über 18?% (Achtung!!!) den Mönchen in der Fastenzeit zur nötigen Standhaftigkeit verhelfen. Das erste Fass wird am Nockerberg angestochen und den Politikern gehörig eingeschenkt. Auf das Doppelbock folgt der Maibock, der im Sommer vom Märzen abgelöst wird. Das wird mit mehr Hopfen- und Stammwürze gebraut, damit es bis in den Sommer haltbar ist. Auf das Wiesnbier folgt zur besinnlichen Jahreszeit der Festbock.
Attacke auf den Geistesmenschen
Eine Führung Brauereiführung bietet in Verfahren und Krüge Einblicke, und in der Münchner Sterneckerstrasse lässt sich im Bier- und Oktoberfestmuseum der Geschichte und dem Geschmack noch weiter nachgehen. Das Haus selbst ist eines der ältesten Münchens. Teile der Mauer gehen bis 1346 zurück, und im Inneren findet sich neben allerlei Wissenswertem und der Zunftlade der Brauer auch eine «Himmelsleiter». Abends kann man im Museumsstüberl in Münchens ältestem Wohnhaus einkehren. Im Stadtmuseum eröffnet pünktlich zum Jubiläum des bayerischen Reinheitsgebotes im April die Sonderausstellung «BIER.MACHT.MÜNCHEN», die der Geschichte des Bieres nachspürt. Leiblicher wird vom 22. bis zum 24.??Juli dem Jubiläum zwischen Odeonsplatz und Wittelsbacherplatz gedacht. Einen Tag später kann man beim diesjährigen «Bierinseln» den Münchner Craft-Beer-Brauern in die Töpfe gucken.
Zünftig
«Niemals mit dem Kopf zum Krug», hat Gerhard Polt treffend angeleitet, und so gilt es, sich auch den degustativen Aspekten des Bieres zuzuwenden. In der ganzen Stadt finden sich traditionelle Schwemmen, paradiesische Biergärten und hippe Bars, die von Einheimischen regen Zuspruch erfahren. Die berühmteste der Schwemmen ist das Hofbräuhaus am Platzl. Das Brauhaus wurde 1607 von Maximilian I. gebaut und 1896 von Prinzregent Luitpold nach Haidhausen verlegt. Das grosse Gebäude wurde anschliessend zu einem Bierpalast umgestaltet. Im Inneren finden sich unter dem Kreuzgang eingeschnittene Initialen, Sprüche und unzählige Touristen. Das Tal hinauf liegt das «Schneider Bräuhaus» von Schneiderbräu, dessen frisch renovierten Hallen zum Weissbier laden. Sonniger lockt der Biergarten auf dem Viktualienmarkt, an dem abwechselnd die Biere aller Münchner Brauereien ausgeschenkt werden. Oder es geht in den wunderschönen Hof der Augustiner Grossgaststätte, in dem man unter Arkaden Restaurant- oder Schenkbetrieb geniessen kann. Gleich wo, die bayerische Wirtshauskultur ist eine symbiotische Verbindung von Speis und Trank. Traditionell bietet sich die Wirtshaussemmel schon auf dem Tisch an und wird ausgiebig geprüft, doch weniger befasst lohnt sich ein Obazda mit Brezel, ein Radi mit Salz oder zum Weissbier die Weisswurst. Die darf mittlerweile das Mittagsläuten hören, doch gilt es hier, die strengen Tischsitten zu beachten.
Hauch vom Paradies
Die bayerischen Biergärten, die sich an allen Ecken im Schatten von Kastanien finden lassen, sind wortwörtlich historisch gewachsen und folgen eigenen Regeln. Um das Bier zu lagen, gruben die Brauer Bierkeller unter den kühlenden Kastanien vor den Toren der Stadt. Die findigen Städter begannen bald, in ihrer Freizeit zu diesen Lagerstätten zu pilgern und sich das kühle Bier ausschenken zu lassen, was allerdings die Wirte auf den Plan rief: Sie fürchteten die Konkurrenz. Am Ende durften die Biergärten ausschenken, aber kein Essen anbieten, und so darf man bis heute in den Biergärten sein eigenes Essen verspeisen. Unter den schattenspendenden Wipfeln der Kastanien und dem klingenden Kies an den Füssen sind die Biergärten noch heute beliebte Sommerresidenzen und Ausflugsziele. Neben den über 30?grossen Biergärten wie Hirschgarten und Chinesischer Turm finden sich noch unzählige Kleinode an schönen und überraschenden Orten wie in den Tälern des Olympiaparks. Und wie damals bieten sich Biergärten noch heute als Ausflugsziel an. Mit dem Radl nach Erding oder zu Fuss von Herrsching zum Kloster Andechs. Am Ende wird eingekehrt.