
Auf Reisen – Anno Domini
- Januar 15, 2018
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Kavalierstouren, Winterfrische, Pauschalreisen, Grand Hotels und Heilbäder – bevor die Menschen das Reisen geniessen lernten, musste erst so einiges erfunden werden. Ein Rückblick auf vergangene Dekaden, in denen der Tourismus laufen lernte.
Klick, Klick, Klick, Buchung bestätigen – was heute mit nur ein paar Klicks aus der heimischen Gemütlichkeit heraus geplant und organisiert werden kann, gestaltete sich in früheren Dekaden als zeitaufwändiges Grossprojekt mit ungewissem Ausgang. Reisen als Genuss? Mitnichten. Denn erste Ansätze von dem, was wir heute als Tourismus bezeichnen, waren erst vor rund 200 Jahren erkennbar.
Von Raubzügen und Kavalierstouren
Blickt man ganz weit in die Geschichtsschreibung zurück, so war das Reisen vor allem den folgenden Menschengattungen vorbehalten: Abenteurern, Entdeckern oder Kaufleuten. Sie machten sich auf den Weg, die Welt und neue Routen zu entdecken, auf Raubzug zu gehen oder neue Handelswege und -partner zu suchen. Und natürlich gab es auch noch die Kategorie der Pilger, die allerdings auf ihren Wallfahrtsreisen von Komfort und Genuss nicht hätten weiter entfernt sein können. Die ersten Reisen, die ein gewisses Mass an Amusement beinhalteten, waren, unter anderem, auch die sogenannten «Grand Tours» oder auch «Kavaliertours», die seit der Renaissance allerdings nur den Abkömmlingen des Adels vorbehalten waren. Reisen, vorzugsweise nach Italien, die in erster Linie der Wissenserweiterung dienten, jedoch, aufgrund der beschwerlichen Fortbewegungsmittel mit der Kutsche, ebenfalls deutlich von Anstrengungen gekennzeichnet waren.
Mit Dampf zu neuen Sehnsuchtsorten
Mit der Erfindung der Dampfmaschine änderte sich das «Genre Reisen» drastisch. Ab den 1820er Jahren fuhren zu Land die ersten Eisenbahnen mit Personenwaggons und über den Atlantik Schiffe mit Dampfantrieb. Doch nicht allen behagten die jüngsten Erfindungen. So beispielsweise schrieb Jules Verne 1870 über den Raddampfer «Great Estern»: «Man kann diesen Dampfer kaum noch ein Schiff nennen; es ist wohl mehr eine schwimmende Stadt, ein Stück Grafschaft, das sich von englischem Grund und Boden loslöst, um nach einer Fahrt über das Meer mit dem amerikanischen Festlande zusammenzuwachsen.» Und auch Heinrich Heine tat seine Bedenken mit den Worten «Durch die Eisenbahn wird der Raum getötet, und es bleibt uns nur noch die Zeit übrig» kund. Auch änderten sich mit der Art des Reisens die Unterkünfte. So beispielsweise entstanden um 1800 die ersten Grand Hotels, die – damals wie heute – mit vortrefflichem Service und dem zur jeweiligen Zeit modernsten Luxus auftrumpften und zur gesellschaftlichen Bühne der gut betuchten Klientel wurden. Ebenso verwandelten sich kleine Dörfer, durch Heil- und Kurbäder, wie sie im 18. Jahrhundert aufgekommen waren, in mondäne Badeorte, in deren Folge wiederum Seebäder entstanden und die Menschen den Schrecken vor dem Meer ebenso verloren wie vor den Bergen.
Wer hat’s erfunden?
Zu Beginn bedeuteten Ferien zumeist, in die Sommerfrische zu fahren. Bis 1864. Denn dann – wie sollte es auch anders sein – erfand ein Schweizer die Winterfrische. Dabei handelte es sich um den findigen St. Moritzer Hotelier Johannes Badrutt von der Hotelpension Kulm, der seine Gäste in den Wintermonaten zu sich einlud, um die Schönheit der Landschaft auch in dieser Zeit zu geniessen. Jedoch nicht, ohne eine Reisekostenrückerstattung zu versprechen, sollten die Gäste nicht mit hochgerollten Hemdsärmeln in der Sonne sitzen können. Der Rest ist Geschichte.
Auf vier Rädern und über den Wolken
Die nächste Revolution des Tourismus, die auf die Mittelschicht abzielte, war die serienmässige Produktion von Henry Fords Automobil Model T im Jahr 1914, das damit zum erschwinglichen Gut wurde. Transkontinentale Strassensysteme wurden in den USA ebenso gebaut wie die neuartigen Motels am Strassenrand. Im Gegensatz zu den USA begann die Massenmotorisierung – und damit der Massentourismus – in Europa erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine Zeit, in der schon bald ein weiteres Fortbewegungsmittel in den Fokus der Genusswilligen rückte: das Passagierflugzeug. Zwar gab es seit 1927 Passagierflüge über den Atlantik in Flugzeugen mit bequemen Sitzen und mit Betten, wie man sie von den Eisenbahnwagen her kannte, doch für die breite Masse blieben die Flüge lange unerschwinglich. Den Grundstein für den Flugtourismus, wie wir ihn heute kennen, legte Grossbritannien mit den ersten Pauschalflugreisen nach Spanien in den 1950er Jahren. Mit dem Aufkommen interkontinentaler Flüge ohne Zwischenstopp verloren in der Folge dann auch die grossen Schiffe ihre Bedeutung. In den 1960er Jahren stellten die grossen Reedereien den Linienbetrieb über den Atlantik ein. Die Zeit des modernen Tourismus, wie wir ihn heute kennen, hatte definitiv begonnen.
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- Ein Kellner in St. Moritz bringt englischen Ladys Gin und Soda auf Schlittschuhen, 1920er Jahre. Foto: Hulton-Deutsch Collection/CORBIS/Corbis via Getty Images
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- Das Aloha Motel an der Atlantikküste in North Wildwood, New Jersey, 1960er Jahre. Foto: Eric Bard/Corbis via Getty Images
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- Die Kabine des Prototyps einer Lockheed L-1011 TriStar, 1968. Das Grossraumflugzeug für bis zu 400 Passagiere war der bisher letzte Versuch des Flugzeugherstellers, im zivilen Luftverkehr Fuss zu fassen. Foto: Rolls Press / Popperfoto / Getty Images